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Drei Phasen der Entwicklung zum effektiven Daily

Adrian Salamon
| Scrum Master, Qvest Digital
Veröffentlicht 10. Juni 2019

Ist euer Daily auch manchmal so zäh? Hier ist meine Geschichte, wie das Daily Scrum von 45 Minuten auf unter 15 Minuten komprimiert werden kann.

Drei klassische Fragen

Als ich 2017 als Scrum Master angefangen habe, orientierte ich mich an den Lehrbüchern und habe dementsprechend auch das Daily Scrum gestaltet. Einmal täglich trafen wir uns im Team für einen Zeitrahmen von 15 Minuten, um unsere gemeinsame Arbeit zu koordinieren. Reihum hat jeder Entwickler die drei klassischen Fragen beantwortet:

1) Was hast du gestern gemacht?
2) Was wirst du heute tun?
3) Gibt es Hindernisse, die wir gemeinsam lösen müssen?

Es zeigte sich, dass bei diesen drei gleich wichtigen Fragen die meiste Zeit auf die erste Frage und damit auf die Vergangenheit verwendet wurde. Die Chronologie des letzten Tages, die Erkenntnisse und gemeisterten Stolpersteine wurden voller Stolz präsentiert und führten nicht selten zu einem intensiven Wissensaustausch und Diskussionen im Entwicklerteam. Dabei wurde jedoch oft zwischen Kontexten hin- und her gesprungen. »Ich habe an Story 1 gearbeitet, danach bei Story 2 das Codereview gemacht und später die Überarbeitung von Story 3 einfließen lassen.« Die erwähnten Stories wurden im Verlauf des Dailys noch ein, zweimal von den anderen Kollegen erneut aufgegriffen. Dinge wurden doppelt erwähnt, aus unterschiedlichen Perspektiven, oft ohne neue Erkenntnisse für die Gruppe. Auf dem digitalen Scrumboard wurde viel auf- und abgescrolled. Oft wusste man gar nicht genau, um was es eigentlich gerade geht.

Dahingegen wurde die zweite Frage meist mit einem kurzen »Daran arbeite ich heute weiter!« oder »Ich gucke mir das und das an!« abgehakt. Auf Hindernisse musste zum Glück nur selten eingegangen werden. Das Daily fühlte sich wirr und ziellos an. Es war keine Seltenheit, dass es 30 Minuten oder länger dauerte. Danach waren alle Teilnehmenden genervt und unkonzentriert. Wir wollten das ändern.

Ist der Scope klar?

Häufig arteten Antworten auf die erste Frage aus. »Was hast du gestern gemacht?«, schien als Formulierung oft viel zu weit gefasst zu sein. Zu häufig hörten wir Antworten nach folgendem Muster:

»Ich war den halben Tag in anderen Meetings.«
»Meine Tochter musste früher aus der Schule geholt werden.«
»Zuerst ging mein VPN nicht mehr, und dann habe ich mein Betriebssystem neu aufgesetzt.«
»Ich habe den ganzen Tag diese Lektüre zur Weiterbildung gelesen.«
»Ich hatte gestern Urlaub und war mit meiner Familie am See.«

Auch wenn es teilweise für das Socializing gut war, den Tagesablauf der Kollegen nachvollziehen zu können, diese Antworten hatten nichts mit der Organisation von Arbeit zu tun. Sie waren nicht mehr zielführend, sondern verlängerten das Daily ungemein.

Unsere erste konkrete Maßnahme, um den Fokus im Daily Scrum auf den Sprint und das Sprintziel zu setzen, war eine kleine Anpassung der Fragestellung, wie es auch der aktuelle Scrum Guide empfiehlt:

1) Was hast du gestern gemacht, um das Sprintziel zu erreichen?
2) Was wirst du heute tun, um das Sprintziel zu erreichen?
3) Gibt es Hindernisse, die wir gemeinsam Lösen müssen? (unverändert)

Durch das regelmäßige Betonen dieser feinen Anpassungen fiel es allen Teilnehmenden leichter sich zu fokussieren. Themen, die außerhalb der beruflichen Tätigkeit oder außerhalb der betroffenen Produktentwicklung lagen, wurden vorab ausgefiltert. Es blieben nur Antworten, die zur Arbeitsorganisation innerhalb des Teams hilfreich waren. Dennoch blieb das Problem mit dem fehlenden roten Faden im Meeting und den Sprüngen im Kontext zwischen den Tasks. Besonders wenn an vielen Tasks parallel gearbeitet wurde.

Das richtige Ziel vor Augen halten

Wir probierten eine weitere Veränderung in unserem Vorgehen. Eigentlich wollten wir ja den Fokus auf den Sprint legen, statt auf die Beschäftigung der einzelnen Menschen. In unserem Experiment stellten wir die drei Fragen nicht mehr reihum nacheinander an jeden Entwickler, sondern betrachten die noch offenen Stories des Sprints entlang ihrer Priorität. Wir fingen oben im Sprint Backlog an und fragten uns:

1) Was haben wir gestern gemacht, um diese wichtige Story abzuschließen?
2) Was werden wir heute tun, um diese wichtige Story abzuschließen?
3) Gibt es Hindernisse, die wir gemeinsam lösen müssen? (unverändert)

Diese Fragen fokussierten auf das eigentliche Ziel der sequenziellen Abarbeitung unserer Aufgaben im Sprint und bieten trotzdem Raum für relevante Informationen. Auch wurde die Reihenfolge der Themen nun klar: das Wichtigste zuerst, statt dass ein beliebiger Entwickler anfängt und dann jemand anderes mit einem ganz anderen Thema weiter macht.

Um sicherzustellen, dass jeder im Team etwas sagen und sich Arbeit für den Tag vornehmen kann, wurde eine vierte Frage notwendig, die nach dem Durchgang des Sprint Backlogs in die Runde gestellt wird.

4) Hat noch jemand nichts zu tun, oder etwas zu sagen?
Dies öffnete den engen Fokus der zu bearbeitenden Aufgaben etwas, um menschlicher Interaktion wieder Raum zu geben und Informationen außerhalb unseres Musters einen Weg in unsere Runde zu ebnen. Wir nutzten diese Gelegenheit auch, um Stories aus dem Product Backlog in das Sprint Backlog zu ziehen, wenn es angebracht war.

»Ab jetzt machen wir das immer so«

Das Team, mit dem ich dieses Experiment der Dailyumgestaltung begonnen habe, bricht nun nicht mehr die Timebox um das Zweifache und bleibt in der Regel unter den angepeilten 15 Minuten. Man kann seinen Kollegen und Kolleginnen besser folgen und effektiver gemeinsam auf das Abschließen einer Story hinarbeiten. Let’s get things done. Zusätzlich zur eingesparten Zeit glaube ich auch, dass die Entwickler weniger das Gefühl haben, sich beim Daily zu offenbaren oder für eventuelle Misserfolge rechtfertigen zu müssen. Es geht ja schließlich nicht mehr um sie als arbeitende Person, sondern unser gemeinsames Ziel, den Sprint.

Mittlerweile führe ich diese Form des Dailys in jedem meiner Teams ein, egal ob Scrum, Kanban oder Sonstiges. Wir konzentrieren uns stärker auf das, was aktuell ist oder bald kommen wird, als auf das, was kürzlich abgeschlossen oder uninteressante Vergangenheit ist. Trotzdem frage ich als Scrum Master alle paar Monate, ob dieses Vorgehen für uns weiterhin so passt, oder ob relevante Themen keinen Platz mehr in dieser Ausprägung des Daily haben. Ich bin gespannt, wie wohl die nächste Anpassung unseres Dailys aussehen wird.