tarent heißt jetzt Qvest Digital AG | mehr erfahren

Raider heißt jetzt Twix

Dr. Stefan Barth
| Chief Operating Officer, Qvest Digital AG
Veröffentlicht 25. Januar 2024

Die tarent solutions heißt jetzt Qvest Digital AG. Ich habe an dem Namen tarent sehr gehangen. 10 Jahre lang trug ich mit Begeisterung unseren Merch und verband sehr viel Identifikation damit. Ein Blog über die Identifikation und Verabschiedung mit und von einer Marke.

Die Geschichte einer Umbenennung

Wenn ich in meinen Kleiderschrank schaue (und es ist ein großer Kleiderschrank :) ), sehe ich ein ganzes Fach gefüllt nur mit Kleidung, die in der einen oder anderen Form das Logo der tarent trägt.

Über die Jahre haben wir T-Shirts, Hoodies, Kapuzenjacken, Fliesjacken, Longsleeves, Socken, Jogginghosen und Sweatshirts an unsere Mitarbeiter verteilt. Das Design war immer ebenso großartig wie die Qualität der Kleidung.

Das ist an und für sich nichts Besonderes. Andere Unternehmen machen das wohl auch, wenn vielleicht nicht so regelmäßig und großzügig, wie wir das tun. Der Treiber bei uns war, dass die Menschen die Kleidung auch trugen. Wenn ich schätzen sollte, dann würde ich behaupten, dass vor Corona täglich wenigstens 30% der Kollegen tarent-Merch anhatten. In der Videokonferenz sieht man die Kleidung, womöglich aufgrund des geschützten Raumes zuhause, gefühlt sogar noch häufiger.

Dies beobachtete ich auch schon, bevor ich selber Mitinhaber und Vorstand wurde. Ich kannte die Organisation seit 2010 und einer meiner ersten Eindrücke der tarentler war eben genau das: Die trugen alle das Logo und den Namen mit sich rum. Für mich war das irritierend: Auch wenn ich von meinem vorangegangenen Arbeitgebern so etwas besaß, so hätte es eher Hohn und Spott ausgelöst, wenn man damit täglich aufgelaufen wäre … irgendetwas war bei der tarent von Anfang an anders.

Grosses Selbstbewusstsein

Und die Organisation war anders und blieb anders. 2013 dominierte noch ein rebellischer “Free & Open Source Spirit” mit der dazugehörigen gesellschaftlichen Sicht in einer eher familiären Atmosphäre, gerne auch mit einem Fünf-Uhr-Joint. Über die Jahre professionalisierte sich die Organisation und verdoppelte sich fast. Ein rebellisches Gen ist geblieben, man ist fest in seinen politischen Überzeugungen, das Organisationsmodell entspricht heute eher einer Soziokratie. Zu allen Zeiten hat sich die Organisation aus der Wahrnehmung der Kollegen deutlich von den Kundensystemen abgehoben, in denen sie sich bewegen. Diese Andersartigkeit nehmen sie zumeist positiv wahr und schöpfen daraus Identität.

Wir erleben es natürlich immer wieder, dass Menschen uns verlassen. Sehr häufig kommen sie aber auch zurück, weil sie das besondere Arbeitsumfeld in unserem Hause so schätzen.

All das haben die Kollegen natürlich auch mit dem Namen tarent verbunden.

Der nächste Evolutionsschritt

2021 haben die vier Vorstände (ich bin einer davon), die gleichzeitig die Mehrheit an der tarent AG als 100%-tiger Mutter der tarent solutions GmbH hielten, beschlossen, die Aktionärsstruktur zu konsolidieren und einen starken Partner an Bord zu holen. Dies geschah ohne Not, sondern aus einer guten Gelegenheit heraus: Mit der RSBG und der Qvest Gruppe schienen wir einen Interessenten zu haben, der uns Chancen und Möglichkeiten zur weiteren Geschäftsentwicklung eröffnen könnte und gleichzeitig genügend unternehmerische Freiheit lassen würde.

Wir schlossen Anfang 2021 die Verträge. Es war kein Bestreben der Gruppe zu verspüren in unsere Geschäftsführung eingreifen zu wollen und dies spiegelte sich auch in den Verträgen wieder. Unsere Erwartungen wurden erfüllt und die Zusammenarbeit prägte sich mit der Gruppe und den Schwestergesellschaften langsam aus.

Umbenennung als Tabubruch

Mitte 2022 veränderte sich die Situation insofern, als dass die Gruppenstrategie der Qvest mehr Gestalt annahm. Der Wunsch war es, einen stärker vereinheitlichten Außenauftritt zu entwickeln und insbesondere die Marke Qvest zu stärken. Daraus resultierte die Frage an uns, ob wir uns nicht umbennen wollten.

Für mich war das undenkbar. Seit mehr als 10 Jahren entwickelten wir die Organisation (zwei von uns vieren sogar noch deutlich länger) und waren zutiefst verbunden mit dem Namen “tarent”. Allerdings mussten wir uns auch die Frage stellen, was eine Verweigerungshaltung der Organisation langfristig bringen würde und welche objektivierbaren Negativeffekte mit einer Umbenennung tatsächlich einher gehen würden. Zwei lagen ganz unmittelbar auf der Hand.

  • tarent war wenigstens regional eine starke Recruiting-Marke. Eine Umbenennung würde uns an dieser Stelle zurückwerfen.
  • Wir haben eine hohe Mitarbeiterbindung. Die durchschnittliche Unternehmenszugehörigkeit liegt bei über 5 Jahren und dies ist mit einer - wie eingangs beschrieben - starken Identitätsausprägung verbunden.

Die Qvest Gruppe bot uns im Gegenzug an, mit Investitionen den weiteren Entwicklungspfad substanziell zu unterstützen, allerdings auch zu dem Preis, dass wir weitere Anteile bereits jetzt abgeben sollten. Dies sollte Teil des Gesamtpakets zum Thema Umbenennung werden. Zudem wurde der Wunsch geäußert, dass wir unsere Bindung an das Vorstandsamt nochmals deutlich verlängern, um eine gemeinsame Strategie auch wirklich wirksam werden zu lassen.

Nach sechs intensiven Monaten, angefüllt mit teils heftigen Diskussionen mit der Gruppe aber auch in unserem inneren Kreis der Vorstände, war es soweit. Am Jahresanfang 2023 lagen die Grundlinien für eine Einigung auf dem Tisch. Wir schätzten die langfristigen Vorteile höher ein als die Risiken. Jetzt ging es “nur noch” um die Details.

Auch wenn die Umbenennung keinen glücklich machte, hatten wir uns irgendwie in unserem Vorstandskreis an das Szenario gewöhnt und einen Umgang damit gefunden. Es war für uns entscheidend, dass wir diesen Weg gemeinsam gehen.

Realisierend, dass die Kommunikation des Themas in der Organisation hochkomplex sein würde, wählten wir sechs Menschen in unterschiedlichsten Rollen aus, die wir in das Vorhaben einbeziehen wollten, um eine kritische Auseinandersetzung zu unseren Implementierungsideen zu erhalten.

Lange Vorbereitungszeit und Hektik am Schluss

Vor dem ersten Termin mit der Sparring-Gruppe hatten wir bereits eine Präsentation erstellt, die die Veränderung und die Motivation dazu darstellte. Als wir das Vorhaben vorstellten, war ich wirklich nervös, da ich die Reaktion der ausgewählten Kollegen nur schwer einzuschätzen vermochte.

Meine Befürchtungen erwiesen sich als unberechtigt. Wir führten eine extrem differenzierte Diskussion, sehr reflektiert und mit wertvollem Feedback, das wir in der Folge in die Veränderungsdarstellung einfließen ließen.

Die Verhandlungen zogen sich hin und zwischenzeitlich war es sogar nicht mehr unbedingt klar, dass wir uns einigen würden. In der Sparrings-Gruppe waren wir diesbezüglich transparent und nutzten trotz möglicher Zweifel die Zeit, in mehreren Iterationen nicht nur die Präsentation zu schleifen, sondern auch die nachgelagerte Change-Strategie zu besprechen. Ende Juni wurde es dann nochmal hektisch, weil sich wiederum neue Herausforderungen in der Verhandlung auftaten (insbesondere in Fragen der Vermarktung unter einem Namen) und es aus formalen Gründen opportun war, die Umbenennung vor Mitte Juli anzustoßen. Letztere Gründe hingen zusammen mit der gleichzeitig angestrebten Verschmelzung von tarent solutions GmbH mit der tarent AG.

Wir kamen durch die Tür.

Emotionen, Ängste, Perspektiven - und Maßnahmen

Der Startschuss für die Kommunikation war damit gegeben. Wir setzten ein “Sondertownhall” für alle Mitarbeiter an. Zuvor holten wir in einem gesonderten Meeting alle fachlichen und menschlich-disziplinarischen Führungskräfte ab - mit eben der Kommunikation, die wir zuvor so intensiv diskutiert hatten. Nach einem kurzen Schock kam auch hier noch einmal konstruktives Feedback, was wir zum Sondertownhall einfließen ließen.

Wir führten das Townhall durch (full remote) und sahen uns - wie zu erwarten war - mit einer wilden Mischung von Emotionen konfrontiert: viele Ängste, manche Hoffnungen, Irritationen, Missverständnisse. Insbesondere wurde die Befürchtung sehr deutlich, dass wir unsere kulturelle Identität und Integrität verlieren würden.

Wir bemühten uns zu vermitteln, dass sich weder durch die zusätzliche Anteilsübernahme noch durch die Umbenennung die Governance-Möglichkeiten der Gruppe uns gegenüber verändert hätten. Wir blieben also nach wie vor dazu in der Lage, unsere operative Sphäre und die Art wie wir zusammenarbeiten vollständig selbst zu gestalten.

Am Nachmittag hatten die People Leads (die menschlich-disziplinarischen Führungskräfte) Sondermeetings mit den ihnen Anvertrauten anberaumt. Diese wurden intensiv besucht und zum Austausch der Befürchtungen genutzt. Der Vorstand organisierte in der Folge für sechs Wochen wöchentlich jeweils zwei Q&A-Sessions, in denen die Menschen Fragen stellen konnten. Dies war zunächst maßgeblich dadurch motiviert, dass die Kommunikation in die Urlaubszeit gefallen war und wir so auch Rückkehrern leichtgewichtig die Möglichkeit eröffnen wollten, mit uns in den direkten Austausch zu der Veränderung zu treten.

Die Q&A-Sessions erwiesen sich aber auch darüber hinaus als eine gute Idee, da sie offenkundig notwenigen Raum für Austausch schufen (für alle, nicht nur für die Urlaubsrückkehrer) und wie ein Sensor in die Organisation wirkten. Die Fragen und Antworten wurden dokumentiert und regelmäßig in der zentralen, schriftlichen Unternehmenskommunikation eingebettet. Eine sehr gut besuchte Q&A-Session stellten wir - um die Diskussion um Fremdeinflussnahme durch die Gruppe zu objektivieren - in den Kontext der Vorstellung der relevanten Vertragsbestandteile (Geschäftsordnung, etc.), um deutlich zu machen, dass sich außer der Umbenennung wirklich nichts Wesentliches verändert hatte.

In der ersten Feedback-Session in der fünften Woche nach dem Townhall waren wir letztlich allein. Nach acht Terminen hatte sich die Diskussion auf dieser Ebene erschöpft. Zwischenzeitlich war auch nochmal die Idee aufgekommen, separate Change-Formate zum Austausch anzubieten (z.B. ein House-of-Change Workshop), wir sahen dies dann aber nicht mehr als notwendig an.

Aktive Beteiligung am Wandel

Auch bereits im Townhall zur Erstkommunikation wurde angekündigt, dass wir das Governance-Format der Fokusgruppe nutzen würden, um die formalen Aspekte des Veränderungsprozesses „tarent nach Qvest Digital“ zu organisieren. Fokusgruppen sind bei uns frei zusammengesetzte, selbstorganisierte Teams mit einem klaren Umsetzungsfokus und einem definierten Entscheidungsregelwerk.

Dieses Format ermöglichte jedem, der etwas beizubringen hatte, an dem operativen Veränderungsprozess der Marke mitzuwirken. Und es war offenkundig viel zu tun. Dieses Angebot der Beteiligung eines jeden, der Interesse an der Mitarbeit hatte, nahm auch nochmal Ängste vor möglichen versteckten Agendas und sorgte dafür, dass alle Schritte des Markenwandels in den letzten Monaten vollständig transparent waren.

In der Fokusgruppe wurden dabei letztlich nicht nur die formalen und technischen Aspekte der Veränderung in Augenschein genommen, wie z.B. Dokumentenvorlagen, E-Mail-Domainumstellung, etc., wenn dies auch wesentliche Bestandteile der Tätigkeit waren. Darüber hinaus organisierte das Team aber auch mehrere Umfragen. Eine bezog sich auf die Detailgestaltung des neuen „Qvest Digital“-Schriftzugs, eine andere auf die Frage, wie wir uns zukünftig selber als Mitarbeiter nennen wollten. Das Ergebnis war: Wir sind die „Q‘s“.

Sehr verständlich: Diskussion um einen Betriebsrat

Trotz unserer Größe - wir sind 240 Mitarbeiter in Deutschland - haben wir keinen Betriebsrat. In den vergangenen 10 Jahren kam zweimal die Initiative auf, einen solchen zu gründen. Die erste, 2013, als wir vier als neue Vorstandskonstellation starteten und aufgrund der wirtschaftlichen Lage Mitarbeiter entlassen mussten. Damals einigte sich die Belegschaft auf eine Abstimmung, ob ein Betriebsrat sinnvoll wäre und entschied sich mehrheitlich dagegen. Daraufhin übernahm auch niemand mehr die Initiative.

2018 kam das Thema wieder auf, diesmal aber in einem ganz anderen Kontext. Die Mitarbeiter realisierten, dass wir dabei waren ein sehr partizipatives Organisationsmodell zu implementieren und wollten die bereits erzielten Errungenschaften sichern. Nach einer Diskussion in einer Arbeitsgruppe auf einem Strategietag (da nehmen bei uns alle Mitarbeiter teil) wurde das Thema fallen gelassen.

Nun geschah es, dass bereits bei der Erstkommunikation im Townhall der Ball wieder aufgenommen und offen die Frage diskutiert wurde, ob ein Betriebsrat nicht hilfreich wäre, um die Organisation zu schützen. Es gab einige starke Befürworter für das Thema.

Was mich sehr glücklich machte war, dass nicht einige wenige den rechtlichen Rahmen nutzten und einfach Fakten schafften. Vielmehr wendete die Organisation die Governance-Möglichkeiten an, die wir haben: Es wurde eine Fokusgruppe mit dem Ziel gegründet, zu evaluieren, welchen Nutzen und welchen Schaden ein Betriebsrat in unserer Organisationsform hätte.

Das Ergebnis wurde nun kurz vor Weihnachten in einer „Speakers‘ Corner“, einem konsent-basierten Entscheidungsformat, vor etwas 100 Mitarbeitern vorgestellt. Klar war, dass hier keine Konsententscheidung möglich war, es konnte nur eine plausibilisierte Empfehlung ausgesprochen und die Stimmungslage dazu verprobt werden.

Die Fokusgruppe hatte sich intensiv informiert und u.a. auch einen Termin mit der Gewerkschaft gemacht. Zwei Teammitglieder waren früher auch mal aktive Betriebsräte in anderen Unternehmen gewesen. Ihre Empfehlung war letztlich, dass sich ein Betriebsrat auch jetzt nicht lohnen würde, da

  • wir einerseits Bürokratie aufbauen müssten, andererseits diese Bürokratie keine Entfaltung finden dürfte, da der Betriebsrat in unserem Organisationsmodell in vielen Fällen keine Entscheidungsbefugnis in Anspruch nehmen dürfte (u.a. weil es der Vorstand auch nicht mehr beansprucht)
  • und andererseits deutlich wurde, dass die maßgeblichen Risiken, die als diffuse Folge der Umbenennung gesehen wurden (insbesondere ein Kulturwandel), durch einen Betriebsrat auch nicht mitigiert würden.

Die Mitarbeiter gaben in breiter Mehrheit ihre Zustimmung zu dieser Empfehlung.

Ängsten Raum lassen

Wir haben von unseren Mitarbeitern auf unterschiedlichsten Ebenen viel Feedback zu dem Prozess erhalten. Im Großen und Ganzen war es positiv, wobei zwei Aspekte besonders häufig Ansprache fanden.

Außerordentlich wertgeschätzt haben die Mitarbeiter die Authentizität unseres Auftretens dahingehend, dass in unserer Kommunikation offensichtlich wurde, wie schwer wir uns selbst mit der Umbenennung getan haben. Und es fiel uns ja auch nicht leicht!

Auf der anderen Seite reagierten wir auf die Äußerung von Ängsten und Befürchtungen immer mit intensiven Erläuterungen, warum wir glauben, dass die Umbenennung der richtige Schritt ist. Bei einigen Kollegen wurde dadurch das Gefühl ausgelöst, hinsichtlich ihres emotionalen Zustands nicht hinreichend wahr- und ernstgenommen zu werden. Man legte uns dies nach einer Phase der Reflektion zu Recht zur Last.

An dieser Stelle habe ich gelernt, dass es notwendig ist, den Ängsten einfach Raum zu lassen und anzuerkennen, dass sie da sind und ihnen auch nicht ohne weiteres in jedem Gemütszustand rational begegnet werden kann. Die Aussprache der Ängste hilft bereits, es ist dann nicht notwendig offensiv dagegen zu argumentieren und ihnen damit begegnen zu wollen. Insbesondere gilt dies dann, wenn man sich bereits in einem repetitiven Kommunikationsmodus im Hinblick auf die Faktenlage befindet.

In einer solchen Situation bewährt sich ein altes Sprichwort: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Wenn eigentlich alles gesagt ist, reicht es häufig den Raum für die Aussprache zu schaffen und Anteilnahme zu zeigen.

Erstmal geschafft

Zum Weihnachtsfest am 1.12. kamen wir alle nochmal zusammen, um die Marke “tarent” bewusst zu verabschieden. Dies war wichtig, um einen Schlusspunkt zu setzen. Als Geschenk für die Mitarbeiter wurden die ersten T-Shirts mit dem Qvest-Aufdruck verteilt. Das Fest war rauschend!

Ich hoffe nun, dass diese T-Shirts in Zukunft genauso viel getragen werden wie zuvor die mit dem tarent-Logo!